Kein anderes Team der Liga hat einen so unverwechselbaren Stil. Seit der Amtsübernahme von Trainer Arno Del Curto im Sommer 1996 ist der HCD eine gelb-blaue Lauf- und Tempomaschine mit schier unerschöpflicher Energie. Der HCD, wie wir ihn seither kennen, ist das Meisterwerk dieses eigenwilligen Nonkonformisten. Den Stil, den er gelehrt, eingefuchst, eingeübt und manchmal auch eingepeitscht hat, prägt die Kultur des Klubs und die DNA jedes einzelnen Spielers auch mehr als drei Jahre nach der Amtsniederlegung am 27. November 2018.
Unter einem so eigenwilligen Trainer wie Arno Del Curto konnten die Spieler nur bestehen, wenn sie zusammenhielten, wenn sie für Ordnung in der Kabine sorgten. Um es etwas trivial zu erklären: Der grosse Leitwolf Reto von Arx kümmerte sich ums Team. Nach dem Motto: «Jetzt spinnt er wieder, kümmern wir uns nicht darum und spielen unser Spiel, er wird schon wieder normal.» Vereint gegen, aber vereint eben auch für den Trainer. An dieser intensiven, 22 Jahre dauernden Beziehung zwischen Trainer und Spielern ist der HCD, wie wir ihn kennen, diese einmalige Leistungskultur geformt worden.
Deshalb hat die Entlassung von Christian Wohlwend keinerlei Spuren hinterlassen. Die gelb-blaue HCD-Maschine setzt ihre Schussfahrt fort. Der Trainerwechsel ist so selbstverständlich und problemlos über die Bühne gegangen wie ein fliegender Spielerwechsel während einer Partie.
ℹ️Trainerwechsel beim HCD!
— Hockey Club Davos (@HCDavos_off) January 11, 2023
Der Ende Saison auslaufende Vertrag mit Headcoach Christian Wohlwend wird nicht verlängert. Wohlwend wurde heute freigestellt.
Bis Ende Saison werden Waltteri Immonen und Glen
Metropolit als Co-Coaches übernehmen.
➡️Details: https://t.co/UiUQHWXBjA pic.twitter.com/8kV1fkZSa9
Andres Ambühl ist im September 39 geworden. In 36 Partien hat er diese Saison bereits wieder 25 Punkte gesammelt. In Bern ticken die letzten Sekunden herunter. Die Berner haben den Torhüter vom Eis geholt und durch einen sechsten Feldspieler ersetzt. Joakim Nordström gelingt es, den Puck aus der eigenen Zone zu schlagen. Nun folgt eine der spektakulärsten Szenen dieser Saison. Nicht einer der Berner, sondern der 39-jährige Andres Ambühl ist 62 Sekunden vor Spielschluss der schnellste Mann auf dem Eis, erläuft den Puck und schlägt ihn direkt aus fast unmöglichem Winkel zum 4:2 ins Netz.
Nach mehr als 1000 Spielen und im Alter von 39 Jahren strahlt er eine Spielfreude, eine Eleganz, aber auch eine Energie, eine Intensität und einen Ehrgeiz aus, als sei er höchstens 25 Jahre alt und kämpfe um einen Stammplatz. Er personifiziert den Stil seiner Mannschaft: Die Davoser sind ihren Gegenspielern in Bern einfach davongelaufen. Der HCD gewinnt im zweiten Spiel nach der Entlassung von Christian Wohlwend nach einem 0:2-Rückstand 4:2.
Die Feststellung, es spiele eigentlich keine Rolle, wer beim HCD Trainer sei, und entsprechend sei es einfach, HCD-Trainer zu sein, findet Andres Ambühl schon ein wenig übertrieben. «Wir haben es gut untereinander» sagt er. «Ich meine damit nicht, dass wir einander gernhaben. Es ist einfach so, dass wir offen zueinander sind, jeder sagt, was Sache ist, und jeder kann mit dieser Offenheit umgehen.» Wenn es ein Problem zu lösen gebe, dann kümmere man sich darum und sorge dafür, dass alle wieder am gleichen Strick ziehen.
Es ist die Erklärung für eine Leistungskultur und eine sportliche Stabilität, die im europäischen Klubhockey ihresgleichen sucht. Dass die Entlassung von Christian Wohlwend (nun führen seine bisherigen Assistenten das Team) beinahe unbemerkt bleibt, ist für Andres Ambühl ein gutes Zeichen. Auch für den entlassenen Trainer. «Das zeigt doch, dass vieles gut war.» Christian Wohlwend hat also das ewige Erbe des sportlichen HCD-Übervaters Arno Del Curto gut verwaltet. Aber der neue Arno Del Curto konnte er nicht sein. Und auch der nächste HCD-Trainer wird es nicht sein.
Wenn Andres Ambühl über die Rolle des Trainers spricht, wird der Unterschied der Leistungskultur zu anderen Klubs klar. Er sieht den Trainer sozusagen als Verbündeten, der jedem hilft, noch besser zu werden. Auf die Idee, einem Trainer die Schuld für eine Niederlage, eine Krise (von der auch die beste Leistungskultur nicht verschont wird) zu geben, kommt er gar nicht. Ist er wohl auch noch nie gekommen. Auch deshalb ist er ein so aussergewöhnlicher Spieler geworden.
Nun obliegt es Sportdirekter Jan Alston, einen Nachfolger für Christian Wohlwend zu finden. So einfach es im Grunde ist, HCD-Trainer zu sein, so schwierig ist es eben auch. Jan Alston sagt, ein Trainer müsse die HCD-Philosophie verstehen und leben. Und beginnt auf die entsprechende Frage, aufzuzählen, was der neue Mann alles können sollte. Die Aufzählung ist recht lang. Es geht um Ausbildung, um Verständnis für junge Spieler, um die Fähigkeit, die jungen Talente im Team einzubauen und doch nie zu vergessen, dass vom HCD Siege erwartet werden, um das Geschick beim Management der starken Persönlichkeiten in der Garderobe und natürlich auch um Training und Taktik. Dann hält er kurz inne, scheint fast ein wenig zu seufzen, weil er weiss, wie schwierig es ist, den perfekten HCD-Trainer zu finden, und sagt schliesslich: «Wir haben ein paar Namen und ab nächster Woche befassen wir uns intensiver mit dem Thema.»
Gut für den neuen HCD-Trainer: Er kann auch nächste Saison auf Andres Ambühl zählen. Der Leitwolf hat seinen Vertrag bis zum Ende der übernächsten Saison verlängert.